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Neokolonialismus auf Reisen: Im Gespräch mit Guide Consta

Unser Gespräch mit Consta ist schon ein wenig her, aber geändert hat sich seitdem wenig: Der westliche Einfluss in Ländern des Globalen Südens ist riesig und hat unterschiedliche Ausprägungen. Wirtschaftliche Abhängigkeit, Dumping unserer Second-Hand-Kleidung, so weit, so bekannt. Die Strukturen ziehen sich aber durch noch so viel mehr Bereiche durch, manchmal gibt`s Verbindungen, die wir nicht unbedingt auf den ersten Blick sehen. Neokolonialismus ist das aber trotzdem alles. Über den westlichen Einfluss auf die Reisebranche haben wir mit Consta gesprochen.

Consta während einer Tour durch die Usambara-Berge – mit Chamäleon

Consta lebt in Lushoto, einer Stadt in den Usambara-Bergen im Nordosten Tansanias. Dort arbeitet er gemeinsam mit Freund:innen und Familie im selbst gegründeten Touristenzentrum Tayodea. Das Tayodea-Tour-Care ist im Herzen der Stadt nicht weit vom Busbahnhof gelegen. Dort bieten die Inhaber:innen unterschiedliche Touren durch die wunderschönen Usambara-Berge an: Ob Monkey-spotting-Ausflüge oder dreitägige Wanderungen, fündig wird hier eigentlich jede:r.

Lodgebau und Hotelruinen

Auf unserer Wanderung quatschen wir viel mit Consta: Über die einzigartige Natur, darüber, dass sie sich durch die vielen Brände verändert, aber auch viel über die Hotelruinen, denen wir begegnen. Und davon gibt`s einige. „Es sind hauptsächlich die europäischen Investor:innen, denen die Gebäude gehören“, erklärt Consta, „hier in Lushoto sind es viele Griechen. Sie kaufen die Grundstücke günstig und fangen an zu bauen. Fertig stellen sie sie dann oft nicht“.

Weshalb, das weiß Consta nicht so ganz. „Vielleicht stellen sie fest, dass es doch teurer ist, als sie dachten“, überlegt er, „oder andere Gegenden sind dann doch lukrativer“. Es stimmt: Nach Lushoto kommen hauptsächlich Wanderlustige. Die Hauptattraktion Tansanias bleiben aber ganz klar das Inselarchipel Sansibar, Safaris in der Serengeti und Ausflüge zum Kilimanjaro. In Lushoto selbst gibt es deshalb weniger Hotels oder Lodges als in den anderen genannten Regionen. Und die größten gehören Europäer:innen. Allein das hat einen Beigeschmack von Neokolonialismus: Europäer:innen bauen günstig auf dem afrikanischen Kontinent. Aber die Lage ist komplizierter.

David gegen Goliath

Lokale Hotels sind häufig nicht auf den einschlägigen Plattformen zu finden, eine Präsenz dort zu teuer. Auch Reiseführer raten meist davon ab, in lokalen und „unsichereren“ Unterkünften zu übernachten. Ein Teufelskreis, findet Consta: „Die europäischen Lodges sind teurer. Auch dort wird den Gästen gesagt, dass es gefährlich ist, außerhalb der Lodges zu essen oder Tours zu buchen.“

In der Folge bleiben die Tourist:innen aus dem Globalen Norden also meist an ihrem Übernachtungsort und man trifft sie weniger beim Bummel durch die Orte, an denen sie zu Besuch sind. In den Lodges haben sie alles, was sie brauchen: Ein Restaurant mit der Möglichkeit, drei Mahlzeiten am Tag zu essen, Shuttle services und auch: Tour Services. „Manchmal kommen Leute zu uns und fühlen sich ein wenig bedrängt von den Tourguides in der größten Lodge im Ort“, ihren Namen will er vorsichtshalber nicht nennen.

Neokolonialismus: Schlecht für Menschen und Natur

Denn die europäischen Lodge-Inhaber:innen möchten Profit machen. Und so stellen sie Guides in ihren Hotels an, die möglichst viele Tours führen sollen. Die erfolgreich gebuchten Guides bekommen sie eine Kommission. Die wiederum brauchen sie, da ihr Gehalt allein nicht genug wäre. Denn das meiste Geld der gebuchten Tour geht an die Lodge-Inhaber:innen. Auch auf Trinkgeld sind die Guides deshalb angewiesen. „Und das bekommen sie, wenn sie die beste Show liefern“, sagt Consta. So freuen sich die Tourist:innen umso mehr, je näher man Tieren kommt, je näher man an Natuschauspielen ist. „Das ist dann schlecht für die Natur und für die Tiere“.

Tayodea ist selbstverwaltet. Die Guides sind ihre eigenen Chef:innen, sie teilen das Tourgeld zwischen sich auf. Auch sie sind mittlerweile im Lonely Planet als Empfehlung zu finden, haben Google-Bewertungen: Sie können sich neben den großen Lodges behaupten. Aber nicht allen kleinen lokalen Unternehmen geht es so. Auch Reisende können hier ihren Beitrag leisten, gegen den westlichen Neokolonialismus anzukommen: Stay und shop local.

Blick vom Endpunkt unserer wundervollen Wanderung übers Tal

Vielen Dank an Consta und Tayodea für das Gespräch und die wunderschöne Tour.

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