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Zu Dynamiken in der Entwicklungszusammenarbeit: Sind gute Intentionen gut genug?*

Anderen Menschen, die nicht so viel besitzen wie man selbst, helfen zu wollen, gilt als nobel. Das reicht von Geld- oder Lebensmittelspenden als Einzelperson bis zu strukturierten Zusammenschlüssen als Verein und Nichtregierungsorganisation (NRO). In einer NRO zu arbeiten, statt in einem profitorientierten börsennotierten Unternehmen, gilt als mildtätig, da eigene monetäre Bedürfnisse hinter dem Gefühl, „etwas Gutes oder Richtiges zu machen“ hinten angestellt werden. Viele NROs operieren lokal, andere haben weltweite Netze gespannt, um global für „Bedürftige“ da sein zu können. Sie möchten ihnen über Entwicklungszusammenarbeit helfen, ihr Leben zu erleichtern – und es vielleicht in einigen Situationen zu retten.

Poverty Porn und die Menschenwürde

Viele dieser auch global agierenden NROs sind zu großen Teilen spendenbasiert. Sie sind die zwischengeschaltete Instanz zwischen dem schlechten Gewissen der wohlhabenden Gebenden, meist im „Globalen Norden“ und denen, die Spenden erhalten. Das medial vermittelte Darstellen des Leids der armen Menschen ist dabei eine Notwendigkeit, um in den Gebenden das benötigte Mitleidsgefühl auslösen zu können: Kinder mit aufgeblähten Bäuchen vor Hunger, aber mit leeren Reisschalen und riesigen traurigen Augen „in Afrika“ schmücken Plakatwände: Poverty Porn sagen Wissenschaftler*innen dazu – das Ausbeuten von Leid, Armut und Tod zum Erreichen eines Zweckes und inkaufnahme Reproduktion kolonialer Stereotype, insbesondere des Kontinents „Afrika“ und der dort lebenden Menschen.
Dabei ist doch die Intention lediglich, diesen Kindern und ihren Eltern zu helfen. Kann man diese Motivation überhaupt kritisieren? Dies ist die alte Frage danach, ob der Zweck die Mittel heiligt. Viele Akteur:innen in Antirassismus- und Postkolonialismusdebatten sagen: Nein, gute Intentionen sind nicht gut genug*.

Die Sache mit der Entwicklungszusammenarbeit und der Augenhöhe

Weder von NROs, noch von Staaten: Denn was auf Regierungsebene in der klassischen Entwicklungshilfe, oder wie es seit einigen Jahren heißt, der Entwicklungszusammenarbeit, aufrechterhalten wird, sind koloniale Abhängigkeitsverhältnisse. Die europäischen weißen Retter, die armen und dankbaren „Afrikaner:innen“. Auch die Versuche des Re-Brandings des Entwicklungsbegriffes zu einer „Kommunikation auf Augenhöhe“ scheint nichts weiter als PR zu sein, wenn bedacht wird, dass sich an den eigentlichen Praktiken nicht viel geändert hat: Verträge zwischen der Europäischen Union oder den Vereinigten Staaten und Zusammenschlüssen afrikanischer Länder begünstigen Handelsbeziehungen zwischen den Kontinenten, weshalb lokale Ökonomien der weniger kaufkräftigen Länder leiden.
NROs spielen dem oft auf unterschiedlichen Ebenen in die Hände. Sie möchten eine Vermittlerrolle einnehmen, erzeugen aber in den Köpfen der Rezipierenden und Spendenden jene Bilder der Unzulänglichkeit, die dafür sorgen, dass sich bestehende Narrative nicht ändern. Auf der anderen Seite nehmen sie die Regierungen durch immerwährendes Zutun aus der Verantwortung, Menschenrechtsproblematiken selbst mit ausreichend Kapazitäten anzugehen.

Und nun?

Und Entwicklungszusammenarbeit auf anderen Kontinenten scheint oftmals notwendig zu sein; werden doch so unmittelbar Leben erleichtert. Dem wäre nicht so, wenn man auf solchen theoretischen Abhängigkeitsdiskursen beharrt. Dennoch ist es wichtig, über sie zu sprechen und über mehr als bloß die eigenen Intentionen, sondern die schlussendliche Umsetzung. Ist es wirklich Augenhöhe, wenn man sagt, man respektiert Kultur und Menschen? Oder sind strukturelle Abhängigkeitsdynamiken nicht wegzudenken? Schließlich operieren wir immer in dem System, das wir oft kritisieren.

Der Text erschien zuerst bei Tutmonde: „Wir alle sind Frauen“.

*“Good intentions are not good enough“, coined by NoWhiteSaviors.

Mehr zu dem Thema gibt es zum Beispiel im Gespräch mit Consta.

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