Über einen Monat ist es mittlerweile her. In der Nacht zum 28.02. ist in der Grünheide bei Berlin unweit der Gigafactory von Tesla eine neue Waldbesetzung entstanden. Während die ersten Polizist*innen am Morgen des 29.02. noch lautstark fragten, wer hier der „Häuptling“ sei, ist die Situation mittlerweile klar: Die Initiative Tesla stoppen hat die Besetzung ins Leben gerufen und plant zu bleiben, um sich der Erweiterung der Fabrik in den Weg zu stellen.
Die letzten Wochen haben jedoch gezeigt, mächtige Interessenten wollen verhindern, dass sich die Aktivist*innen weiter einrichten. SPD-Landtagsfraktionschef in Brandenburg Daniel Keller fordert eine sofortige Räumung. So schwebt über der frisch aufgebauten Besetzung die drohende Ungewissheit, wann die Polizei den Wald ganz abriegelt und mit der Zerstörung des Camps beginnt. Wir haben die ersten Tage der Besetzung mit begleitet. Am Rand der Wasser- und Waldbesetzung gegen Tesla haben wir mit Caro Weber, Pressesprecherin bei Tesla stoppen ein Gespräch über die Rolle der Gigafactory und der E-Autos im Kontext von Klimakrise und Strukturwandel geführt und gefragt: Wie können wir Klimaschutz und die Interessen der Menschen vor Ort zusammendenken?
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Wir müssen bei dem Kampf für Klimagerechtigkeit die Leute aus der ländlichen Region mitnehmen, die speziell auch vom Strukturwandel betroffen sind. Wie begegnet ihr bei eurer Waldbesetzung gegen Tesla diesen Menschen, die sich eventuell über eine:n neue:n Arbeitgeber:in in der Region freuen?
Zum einen arbeiten in dieser Factory hauptsächlich Leute aus Berlin. Zum anderen ist die Frage, ob man wirklich die Arbeitsplätze, die Tesla anbietet, haben will. Reportagen haben schon häufig aufgedeckt, unter was für schlechten Arbeitsbedingungen die Leute in der Fabrik leiden. Da passieren massiv viele Arbeitsunfälle und es gibt extrem hohe Krankenstände, weil die Leute so ausgelaugt sind. Außerdem müssen viele der Arbeitenden samstags arbeiten und sehr viele Überstunden ableisten. Wenn sie das nicht tun, droht ihnen die Kündigung.
Wir haben in Deutschland Mittel und Wege, für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Tesla bekämpft aber ganz aktiv die Gewerkschaftsbildung und behindert die IG Metall bei der Arbeit. Das sind alles Bedingungen, die zeigen: Diese Arbeitsbedingungen, die will kein Mensch wirklich haben. Natürlich arbeiten viele Leute, die dennoch in der Gigafactory arbeiten, weil sie darauf angewiesen sind. Das ist absolut verständlich, aber so sollte es nicht sein.
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Wäre denn eine Gigafactory mit fairen Arbeitsbedingungen eine Option für euch, auch wenn dafür Wald gerodet werden müsste?
Das wird es unter Tesla, unter Elon Musk, nicht geben. Es wird hier kein Werk geben, was faire Arbeitsbedingungen gewährleistet. Tesla ist für schlechte Arbeitsbedingungen weltweit bekannt. Es geht bei Tesla grundsätzlich um Profit. Der Profit wird vor der Gesundheit der Arbeitenden, vor den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung, vor eine intakter Natur und vor dem trinkbaren Zustand des Trinkwassers und der Wasservorräte priorisiert. Elon Musk wird bei seinem kapitalistischen Unternehmen auf jeden Fall nicht für gute Arbeitsbedingungen sorgen, davon sind wir zu hundert Prozent überzeugt. Wir stellen uns deshalb hier gegen Tesla, aber sehen uns als Teil eines größeren Kampfes. Klimaschutz heißt immer auch Antikapitalismus. Er heißt, systemische Hintergründe zu hinterfragen und daran zu arbeiten, diese zu überwinden.
Sucht ihr bei eurer Waldbesetzung gegen Tesla auch das Gespräch zu der IG-Metall oder den Arbeitenden?
Ja, wir sind auf jeden Fall sehr an Austausch interessiert und haben ihn auch schon initiiert. Wir haben uns sowohl mit Leuten von der IG Metall, als auch mit Arbeitenden aus der Umgebung ausgetauscht. Und nicht nur wir, sondern auch die Bürger*inneninitiative und das Bündnis Tesla den Hahn abdrehen suchen das Gespräch und die Zusammenarbeit. Es wird wahrscheinlich keine offene Solidarisierung von der IG Metall geben, aber das ist auch nicht schlimm. Wir freuen uns über den Austausch und hoffen, dass wir langfristig eine gute Struktur aufbauen können.
Habt ihr alternative Ideen zu Tesla, wie man Menschen aus der Region angesichts der Klimakrise und dem damit einhergehenden Strukturwandel helfen kann?
Ich kann und will nicht genau sagen, was die Leute brauchen, aber ich glaube, es ist sehr wichtig, die Leute hier vor Ort zu hören. Es gab dahingehend letztens eine Befragung der Bürger*innen. Diese haben sich ganz klar gegen die Erweiterung von Tesla positioniert. Dabei haben Trinkwasserversorgung und Walderhaltung eine sehr wichtige Rolle gespielt. Solche demokratischen Prozesse sind wichtig, haben aber leider keinerlei bindende Wirkung. Deshalb müssen sich die Leute hier vor Ort selbst organisieren und Politik machen. Aufgrund des Klimawandels können wir hier Arbeitsplätze nicht gegen eine sichere Trinkwasserversorgung ausspielen. Die Menschen brauchen beides, Arbeit und Trinkwasser.
E-Mobilität wird aber von vielen Leuten auch als ein Weg, um eben genau der Klimakrise zu begegnen, angebracht. Wie steht ihr zur E-Mobilität?
Wir sehen E-Mobilität zumindest sehr kritisch. Wir hatten gestern auch Lucio Cuenca Berger, Leiter des lateinamerikanischen Observatoriums für Umweltkonflikte (OLCA) aus Chile in der Besetzung zu Besuch. Und wir haben eine kleine Ausstellung aufgebaut, in der man sieht, wo Lithium als essenzieller Bestandteil der Batterien von E-Autos abgebaut wird. Die Ausstellung zeigt, dass Wasserkrisen ein globales Thema sind: Sowohl hier vor Ort, als auch bei der Gewinnung von Lithium wird ebenfalls enorm viel Wasser verbraucht. Das ist für die Gemeinden zum Beispiel in der Region des sogenannten Lithium-Dreiecks zwischen Chile, Argentinien und Bolivien ein riesiges Problem. Dort gibt es deshalb auch Kämpfe und Protest, mit dem wir uns klar solidarisieren.
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Deshalb sind E-Autos für euch keine wirkliche Lösung?
Genau. Es bringt uns nichts, hier in Europa so zu tun, als würden wir klimaneutral handeln und dabei die Leute im Globalen Süden, die direkt vom Lithium- oder Kobaltabbau betroffen sind, im Stich zu lassen. Und das, obwohl wir daran schuld sind. Das ist zum einen sehr unsolidarisch, da das Klima ein globales Problem ist. Zum anderen produziert Tesla vor allem teure Autos, vor allem E-SUVs. Diese sind nicht nur groß und ressourcenintensiv in der Herstellung, sondern auch einfach enorm teuer. Mobilität ist ein Grundbedürfnis von uns allen und wir sehen nicht, dass sich jede*r ein Tesla leisten kann. Deshalb würden wir auf jeden Fall auf den Ausbau von Bus und Bahn setzen und solidarisieren uns mit der Streikbewegung von Wir Fahren Zusammen. Hier machen sich Verdi und Fridays for Future gemeinsam für gute Arbeitsbedingungen im öffentlichen Nahverkehr stark. Ein Kampf, der eng mit unserem verbunden ist.
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Was können wir Leuten sagen, die versuchen, Klimaschutz (mit einem Appell für E-Autos als Teil der Lösung), Biodiversitätsschutz und Menschenrechtsschutz und Strukturwandelprobleme gegeneinander auszuspielen?
Um unser Ziel – ein gutes Leben für alle – zu erreichen, bringt es uns überhaupt nichts, Sachen gegeneinander auszuspielen. Es muss uns bewusst sein, dass wir unsere Kämpfe zusammendenken müssen. Dabei hilft es, sich immer die Systemfrage zu stellen und sich zu überlegen, wo die Grundprobleme liegen. Dabei müssen wir uns auf jeden Fall den Kapitalismus anschauen und verstehen: Wenn nach Profitlogik gearbeitet wird, müssen Menschen und Natur ausgebeutet werden.
Wenn wir den Kapitalismus, wenn wir das Patriarchat und auch Rassismus alle solche grundlegenden Strukturen ernst nehmen und zusammen dagegen kämpfen, ist es möglich, systemische Veränderungen zu bewirken. Auf E-Autos zu setzen, ist vielleicht eine Lösung für die Leute, die sich das hier im Globalen Norden leisten können. Wir hoffen aber, dass wir nicht nur für uns paar Leute ein besseres Leben erkämpfen können, sondern für alle. Es ist auf jeden Fall wichtig, sich diese größeren Fragen zu stellen. Genauso wichtig ist es aber auch, zusammen in einen Austausch zu gehen und sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen.
«Zum anderen produziert Tesla vor allem teure Autos, vor allem E-SUVs. Diese sind nicht nur groß und ressourcenintensiv in der Herstellung, sondern auch einfach enorm teuer.»
Es ist sowieso drollig, dass so getan wird, als seien die Dinger „sauber“ oder gar co2-neutral. Die stinken zwar nicht mehr unmittelbar; aber auch jener Treibstoff = Elektrizität muss ja irgendwoher kommen. So lange in solchen Kabinen jeden Tag vereinzelt Menschen zur Arbeit und genauso vereinzelt wieder zurückschaukeln, darf man beherzt systemische Fragen stellen.
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