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Ist Torfmoor das neue Palmöl? Zum Orang-Utan-Retten und Moorschutz mit BOS Deutschland

Der Menschenaffe Orang-Utan ist eines der bekanntesten Tiere der Welt – und vom Aussterben bedroht. Der Bestand der Orang-Utans wurde zwischen 1999 und 2015 um 100.000 Tiere reduziert und beträgt aktuell 57.000 Borneo-Orang-Utans, 14.000 Sumatra Orang-Utans und 800 Tapanuli-Orang-Utans. Borneo Orang-Utan Survival (BOS) setzt sich für ihren Schutz und ihr Überleben ein, denn der Orang-Utan ist nicht nur der Liebling vieler und Symbol für den indonesischen Regenwald, sondern auch essentiell für das einzigartige Ökosystem, in dem er lebt. BOS hat durch seine Arbeit bereits 500 Orang-Utans ausgewildert und über 450.000 Hektar Regenwald geschützt, in diesen Gebieten geht die Population im Vergleich zum Rest von Borneo endlich wieder hoch.

Mit BOS Deutschland haben wir auf die Ergebnisse der Klima-und Biodiversitätskonferenz 2022 geschaut, aber noch länger über den Widerspruch Mensch-Tier-Lebensraum, Moorschutz und natürlich Palmöl gesprochen. Denitza Toteva und Teresa Rojas sind seit 2016 und 2017 bei BOS, zuständig für Kommunikation, Fundraising und Projekte.

Welche Projekte sind für 2023 geplant?

Teresa: Ein Projekt in Malaysia wurde gerade bewilligt, wo wir mit Kleinbäuer:innen vor Ort arbeiten werden. Biolandwirtschaft und -kompost und Nachhaltigkeit werden da ein wichtiges Thema sein. Aber auch, dass ihr Einkommen nicht mehr nur von Palmöl abhängig ist, sondern es diversifiziert werden kann und Alternativen entstehen. Palmöl ist ein wichtiges Produkt für viele Kleinbäuer:innen vor Ort und das wird es auch bleiben. Aber wir können bei einer nachhaltigeren Produktion unterstützen.

Palmöl ist natürlich eines der Themen, über das ich mit euch sprechen wollte, unter anderem gibt es ja den Roundtable für nachhaltiges Palmöl (RSPO): Gibt es nachhaltiges Palmöl?

Teresa: Das ist eine schwierige Frage. Wichtig zu wissen ist, dass es nicht die Ölpalme selbst ist, die nicht nachhaltig ist, sondern der verantwortungslose Anbau. Das heißt, es kommt auch beim Palmöl auf das „wie“ der Produktion an. Im Sinne der Nachhaltigkeit muss sie ökologisch und sozial verträglich gestaltet werden. Inzwischen gibt es daher verschiedene Initiativen, welche Standards für einen nachhaltigeren Anbau von Ölpalmen entwickelt haben. Der „Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl“ (RSPO)  ist einer davon und stellt einen Mindeststandard vor. Der RSPO hat relativ strenge Kriterien: keine Rodung von Regenwäldern für Palmölplantagen, keine Neuanlage von Plantagen auf Torfböden, keine Kinderarbeit und anderes.

Doch vor Ort existieren noch viele Probleme. Es werden immer wieder Verstöße gegen die RSPO-Kriterien auf den Plantagen aufgedeckt. Neben dem RSPO gibt es auch einige wenige Beispiele von Bio-Palmöl, unter anderem in Ghana oder Kolumbien. In Indonesien oder Malaysia wird leider noch kein Palmöl mit Bio-Siegel produziert.

Denitza: Für nachhaltigeres Palmöl dürfen Standards nicht nur auf Papier existieren, sondern sie müssen auch umgesetzt und kontrolliert werden. Leider liegt genau da die größte Schwierigkeit, denn wir dürfen die Interessen der lokalen Kleinbäuer:innen und den Naturschutz nicht gegeneinander ausspielen. Viele Kleinbäuer:innen fühlen sich durch Entscheidungen, die im Westen getroffen werden, bevormundet. Standards, die europäische Länder bei der Palmölabnahme setzen – auch zurecht – können häufig nicht eingehalten werden.

Foto: Björn Vaughn

Was ist die Folge?

Denitza: Es gibt genug andere Abnehmer, denen Naturschutz nicht so wichtig ist, wie zum Beispiel chinesischen Firmen. Würden sie überall bevorzugt, wäre der Naturschutz noch weiter rückläufig. Deshalb ist ein guter Kontakt zu den Kleinbäuer:innen und ein Austausch mit ihnen so essentiell.

Gibt es noch andere Herausforderungen für den Orang-Utan am Nexus Mensch – Naturschutz und Klimaschutz?

Teresa: Ein anderes Projekt, an dem wir gerade arbeiten, dreht sich um die Torfmoorrehabilitierung in Indonesien. In den 90er Jahren wurden das sogenannte Mega-Reis-Projekt geplant. Auf 1.000.000 Hektar sollte Reis angebaut werden. Dafür wurden tiefe Kanäle auch im Mawas-Gebiet, Zentralkalimantan, gerissen, durch die die Torfmoore trockengelegt wurden. Der Reisanbau hat nie geklappt und das Moor ist nun ausgetrocknet. Das ist unglaublich gefährlich, denn getrocknetes Torfmoor ist sehr entflammbar, sehr viel schneller als Holz.

Denitza: Wenn es ein Feuer in den trockengelegten Torfmoorgebiete entsteht, kann es Tage dauern, bis es gelöscht werden kann, denn trockenes Torfmoor brennt in die Tiefe: Bis drei Meter kann der Brand reichen. Oberflächliches Löschen bringt dann wenig. Dazu kommt die Tatsache, dass solche Brände in der Trockenzeit entstehen, wenn das Wasser sowieso knapp ist.

Wie steuert ihr hier dagegen?

Teresa: Wir haben viele Projekte mit der lokalen Gemeinden: z.B. Schulungen zu Feuerpatrouillen und Brandschutz. Und es geht uns natürlich um die Torfmoor-Rehabilitierung, wie den Bau von Dämmen. Die Kanäle, durch die das Wasser abgelaufen ist, sind teilweise zehn Meter breit. Wir blocken die kleineren mit unserer Arbeit: Das Blocken von so einem tertiären Kanal kostet zwischen 16.000 bis 20.000 Euro. Für die Blockierung der größeren Kanäle braucht es riesige Maschinen und damit die Regierung.

Schnelles Handeln ist essenziell. Denn wenn Torfmoor brennt, zerstört es nicht nur Lebensräume, sondern setzt auch immense Mengen an CO2 frei. Die katastrophalen Brände von 2015 vernichteten in Indonesien fast 2,6 Millionen Hektar Wald. Dabei wurden 1.750.000.000 Tonnen Kohlendioxid-Äquivalent freigesetzt – fast das dreifache der regulären jährlichen Emissionen von ganz Indonesien. 2015 lag Indonesien auf Platz fünf der weltweiten CO2-Ausstoßer: Der Hauptgrund dafür waren die Waldbrände und ganz besonders eben die Torfmoorbrände. Moore binden so viel CO2, wenn sie geschützt werden. Wenn sie brennen, muss das CO2 auch irgendwo hin.

Das Thema finde ich sehr interessant. Der Palmöl-Orang-Utan-Konflikt ist sicherlich den meisten mittlerweile bekannt, Torfmoor dagegen weniger?

Denitza: Das Thema wird jetzt hoffentlich präsenter, da Torfmoore zum Klimawandel und zur Biodiversität beitragen werden, wie auf UN-Klimakonferenz COP 27 und Weltnaturschutzkonferenz COP 15 im Jahr 2022 erkannt wurde. Unter uns machen wir den Scherz, dass Torfmoor für die Medien das neue Palmöl wird. Viele Leute in Europa wissen auch gar nicht, dass es in Indonesien so große Torfmoorbestände gibt, sie denken, Moore sind ausschließlich etwas Nord- und Zentraleuropäisches. Tatsächlich befinden sich die größten und tiefsten Torfmoore der Welt im Kongobecken, Amazonas und eben Indonesien. Im Rahmen der Klima-COP wurde eine Allianz zwischen diesen Ländern ins Leben gerufen. Indonesien und Brasilien haben bereits schlechte Erfahrungen mit Bränden gemacht, dadurch aber auch viel Know How gesammelt, das sie gerade mit DRK teilen können.

Gab es sonst Ergebnisse der Klima-COP oder Biodiversitäts-COP, die für eure Arbeit und den Orang-Utan wichtig sind?

Denitza: Loss & Damage und Green Funds wurden auf den letzten Drücker entschieden – und nächstes Jahr wird dann erst erarbeitet, woher das Geld konkret kommen soll. So wird wieder ein Jahr verschwendet. Wir haben uns natürlich mehr gewünscht.

Und was gibt euch Hoffnung und Motivation?

Teresa: Ich liebe die Arbeit mit den Leuten vor Ort, es gibt beispielsweise eine Frauengruppe, die viel traditionelles Handwerk weitergeben. Ihre Arbeit finde ich sehr inspirierend. Wichtig finde ich auch die Wildtierkorridore, also Waldstreifen, die zwischen Regenwaldgebieten eingerichtet werden, damit die Tiere, wie die Orang-Utans sich freier bewegen können.

Denitza: Und natürlich, dass der Orang-Utan-Bestand in den Schutzgebieten, wo wir auswildern langsam wächst. Bereits 28 Affenbabys wurden in Freiheit geboren, bei einem vom Aussterben bedrohten Bestand sind das tolle und wichtige Nachrichten.

Mehr zu internationalen Nachhaltigkeitsfragen gibt es zum Beispiel im Gespräch mit Angie von Therapy Berlin.

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