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Auf der Lila Welle mit den Omas gegen Rechts – für ein solidarisches Sachsen

zwei Omas gegen Rechtd auf der Demonstration Lila Welle, die sich für ein solidarisches Sachsen einsetzen, sitzen auf einer Bank in der Sonne und lächeln in die Kamera

Der Kampf gegen Rechts auf dem sächsischen Land ist ein „Kampf gegen Windmühlen“. Bedrohungen, Übergriffe und ewiglange Streitereien mit den Behörden. Der Support aus der Großstadt lässt dabei stark zu wünschen übrig, beklagen Ocean und Cindy, die Proteste in und um Waldheim, einer Kleinstadt in Sachsen mit kaum 9000 Einwohner*innen, organisieren. Dazu haben wir im Frühjahr mit ihnen gesprochen. Das soll sich nun mit der von der solidarischen Vernetzung Sachen ins Leben gerufenen Lila Welle ändern. Im Rahmen der Lila Welle organisieren sie Busreisen aus Leipzig und Dresden.

Die erste von sechs geplanten Demonstrationen fand in Waldheim statt. Hier ist der Kampf gegen Rechts ein zäher Kraftakt, Unterstützung ist so wichtig wie nie zuvor. Zwar bringt der Bus aus Leipzig support, aber vor allem sind es die lokalen Gruppen, die beständig Widerstand leisten. Am Rande der Demonstration trafen wir Ines und Ulrike von den Omas gegen Rechts Döbeln. Mit ihnen haben wir über ihre Erfahrungen im Kampf gegen Rechts im ländlichen Sachsen gesprochen.

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Wir sind heute auf der ersten Lila Welle Demo in Waldheim. Warum und für wen seid ihr hier?

Ines: Ich bin sowohl bei dem Omas gegen Rechts, dem Döbelner Bündnis Döbeln bleibt bunt, als auch bei den Bunten Perlen organisiert. Die Omas gegen Rechts Döbeln haben wir dieses Jahr im Januar bei unserer ersten Demo in Döbeln gegründet. Davor hatten wir uns immer schon informiert wo demonstriert wird und haben die Bunten Perlen auch bei uns im Umkreis unterstützt. Mittelsachsen ist eine Region, in der man viel Unterstützung braucht. Wenn wir uns nicht hätten, stünden wir alle alleine da. Deswegen machen wir viel Bündnisarbeit.

Ulrike: Bei mir ist es genauso. Bei den Bunten Perlen bin ich allerdings bloß als Teilnehmerin und nicht als Teil der Organisation dabei. Im Bündnis Döbeln bleibt bunt und Omas gegen Rechts bin ich aber Gründungsmitglied.

Das sind ja alles Gruppen, die sich relativ neu gegründet haben. Wart ihr davor schon aktiv? Wenn ja, wie lange und wofür habt ihr euch eingesetzt?

Ines: Ich bin selbst schon vor der Wende aktiv gewesen, bedingt auch durch meine Eltern. Auch damals bin ich immer dafür gewesen, dass Menschen nach Deutschland einwandern dürfen. Ich bin also praktisch immer gegen Ausgrenzung, gegen Mobbing und Diskriminierung gewesen.

Ulrike: Das ist bei mir ganz genauso. Ich bin ’89 auch schon mit auf der Straße gewesen. Seitdem war ich eigentlich die ganze Zeit mehr oder weniger aktiv. Als mein Kind klein war zum Beispiel eher weniger. Ich habe in Berlin studiert, zusammen mit vielen ausländischen Student*innen. Bis heute habe ich immer noch Kontakt mit einigen dieser ausländischen Student*innen.

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Wenn ihr schon so lange dabei seid, was ist heute anders als früher? Wie habt ihr zum Beispiel früher mobilisiert?

Ines: Ich kann da nur für mich sprechen, für mich ist es das gesprochene Wort. ich habe die Leute angesprochen und habe mit ihnen direkt Kontakt aufgenommen. Dafür bin ich zu ihnen hingefahren oder hab sie über das Arbeitstelefon – was anders hatten wir damals ja nicht zur Verfügung – angerufen. So haben wir mobilisiert. Außerdem bin ich schon immer gerne auf Konzerte gegangen, Disko war nie so mein Ding. Wenn eine*r zum Konzert gefahren ist, sind viele aus dem Umland mitgekommen. Diese Leute hat man dann auch angesprochen und die haben wieder die nächsten mitgebracht. So konnte man sehr viele erreichen.

Ulrike: Da kann ich nicht viel anderes ergänzen.  Ich sehe mich auch als Multiplikatorin, weil ich mit vielen Menschen zu tun habe, auch gerade was den Kampf gegen Desinformation anbelangt. Mit Social Media umzugehen, ist etwas ganz Neues. Früher war es Face to face, da war mir persönlich auch lieber. Da versuchen wir auch in unserer Oma-Truppe gerade die Omas zu mobilisieren, um fitter im Umgang mit den Medien zu werden und gezielter Desinformationen herauszufiltern. Wir machen sowieso ganz viel politische Bildung und mittlerweile auch Weiterbildungen.

Erlebt ihr Desinformation als ein besonderes Problem im ländlichen Raum?

Ulrike: Natürlich. Es ist haarsträubend, was über die Bunten Perlen oder über die Omas verbreitet worden ist. Wir seien militante, linksradikale Omas, die sich hier durch die Gegend prügeln.

Ines: Ja, sogar von dem Bürgermeister hier in Waldheim.

Ulrike: Ich habe keine Ahnung wo das herkommt, aber wer so etwas streut, kann man sich denken. Wir haben wirklich nie irgendwas gemacht, sondern mit unseren Omaschildern passiv dagestanden und das war es. Dennoch wurde ich immer wieder darauf angesprochen, was wir für schlimme Dinge machen würden.

Bei der Lila Welle heute sind Menschen aus dem Umfeld angereist, ein Bus ist aus Leipzig gekommen. Wie nehmt ihr Demos wie diese wahr, wo der Support auch aus der Großstadt kommt?

Ines: Für uns ist es selbstverständlich gewesen, dass wir heute hier sind. Wir haben im Vorfeld darüber gesprochen, was uns erwarten wird. Es gab schon oft Aufrufe, dass Menschen aus den Großstädten kommen sollen. Wir haben auch große Vereine und Bündnisse angeschrieben. Gekommen ist nie jemand. Auf die Lila Welle waren wir deswegen gespannt. Als wir kurz vor Beginn angekommen sind, war noch niemand da. Dann kam aber zum Glück die Reisegruppe aus Leipzig und das hat mir Hoffnung gegeben. Montags sind bei den Nazis häufig doppelt oder dreimal so viele Leute wie bei uns. Auch wenn wir heute im Gegensatz zu montags keine Gegenseite hatten, war es ein gutes Gefühl, endlich mal mehr zu sein. Es war eine fröhliche Stimmung und hat einfach Spaß gemacht.

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Uns ist aufgefallen, dass es dann tendenziell eher junge Menschen waren, die zu der Lila Welle-Demo dazu gekommen sind. Ist das sonst anders?

Ines: Wir sind immer die gleichen, egal ob jung oder alt. Was mir aufgefallen ist: Dass heute viele queere Menschen dagewesen sind, wahrscheinlich aus Leipzig. Sie unterstützen uns immer und sind gleichzeitig besonders bedroht. Es Freut mich zu sehen, dass sie für sich selber gesagt haben: Wir müssen jetzt endlich was machen, wir müssen raus auf die Straße. Zu denken gibt mir aber immer noch, wer nicht auftaucht und warum wir immer dieselben sind.

Verspürt ihr Angstgefühle bei eurem Aktivismus? Wie präsent ist diese Emotion?

Ulrike: Die Angst blende ich aus, sonst würde ich hier nicht stehen. Ich bin natürlich nicht so naiv, nicht zu wissen, dass wir bereits auf irgendwelchen Seiten mit Foto  stehen. Das ist das Schöne am Alter. Ich sage mir immer: Ich bin jetzt über 60 und bis jetzt war es ganz nett. Den Rest schaffe ich auch noch. Mit einem Gesicht, was jeden Morgen noch in den Spiegel gucken kann. Punkt.

Ines: Das würde ich genau so stehen lassen. Ich will in den Spiegel gucken können und was meine Familie und Enkel betrifft sagen können, ich habe was dafür getan, dass ihr eine Zukunft habt.

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Stichwort Zukunft: Wie blickt ihr auf die Zukunft und die kommenden Landtagswahlen in Sachsen?

Ulrike: Resigniert. Ich denke, die Messen sind gesungen. Da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Wir haben uns auch untereinander unterhalten und haben festgestellt, dass wir unser Bestes  gegeben haben, aber wahrscheinlich wird es mies ausgehen. Wir stehen dennoch zusammen und hören nicht auf.

Ines: Es sieht mies aus. Ich will jetzt nicht sagen, dass ich die Hoffnung aufgegeben habe, dann würde ich nicht mehr hier stehen. Aber viele Bundesländer oder Landkreise um uns herum sagen zum Beispiel: Vielleicht müsst ihr wirklich erst mal das ganze Ding verlieren, damit die Menschen sehen, was wir verloren haben und warum wir jetzt wieder anfangen müssen zu kämpfen. Eigentlich ist das ein blöder Satz und uneigentlich zeigt das: Alle sehen, wie beschissen es aussieht. Ich gehe mit Respekt in die Wahlen und kann noch nicht sagen, was es mit mir macht.

Ich weiß nur, was es mit uns nach den Kreistags- und Stadtratswahlen gemacht hat. Wir haben zusammen auf der Terrasse gesessen, gedacht wir warten mal ab und haben uns noch einen schönen Nachmittag gegönnt. Am Abend habe ich bewusst alles ausgemacht. Ich wollte es einfach nicht hören. Der nächste Tag war sehr erschreckend, obwohl wir es gewusst haben. Als Bunte Perlen haben wir uns danach getroffen. Wir haben nichts gesagt, sondern einfach nur dagesessen und uns gehalten. Es war deprimierend, dass trotz dem, was wir täglich tun, solche Ergebnisse zustande kommen. Die Hoffnung geben wir trotzdem nicht auf, dass es irgendwie weitergeht.

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Die „Lila Welle“ scheint diese Hoffnung mit zu tragen. Anders als bei früheren Aufrufen zur Zuganreise haben sich trotz der Hitze viele Menschen in den Bus gesetzt und sind nach Waldheim gefahren. Die Stimmung war gut, und die Waldheimer*innen waren sichtlich erleichtert, nicht wieder allein zu protestieren. Cindy, die erneut dabei war, betont, wie wichtig die Unterstützung aus der Großstadt ist – schon allein aus Sicherheitsgründen. In kleinen Städten kann sich niemand in der Menge verstecken; jeder weiß, wer zu welcher Demonstration geht, und die Gegenseite trifft man im Supermarkt oder vor der Haustür. Die Demonstration hat gezeigt: Der Support aus den Städten hilft, sich nicht allein zu fühlen und neuen Mut zu schöpfen. Die nächsten Termine der „Lila Welle“ sind am 17.08. in Zwickau und am 24.08. in Pirna.

Das Gespräch führten Henriette Schneider und Timo Krügener. Fotos: Henriette und Timo. Titelbild: Timo.

CategoriesFotografiert

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