(

(K)eine schreckliche Siedlung: Der SPIEGEL und der Mehringplatz

Was für eine schreckliche Siedlung – die da am Mehringplatz, ziemlich in der Mitte von Berlin. Plattenbauten und Sozialwohnungen. Oder? Laut Spiegel-Journalist ist das Ende der sonst so schicken gentrifizierten und seelenlosen Business-Friedrichstraße in Berlin-Mitte und dem Beginn von Kreuzberg ein schrecklicher Kiez. Das hat er zumindest im Podcast „Im Verhör: Die Macht der Clans – Die trotteligen Vier“ nonchalant erwähnt.

Keine weitere Einordnung seinerseits. Ökonomisch schwächer, wenige Doktortitel, Polizeieinsätze? Was davon er meint, wird nicht genau klar, weil er sich dem Thema nicht weiter widmet. Ein Nebensatz, mehr nicht. Ist ja auch ein gängiges Klischee. Beispiele fallen viele ein: Unter anderem Jan-Josef Liefers, für den ein „Plattenbau im 18. Stock in Marzahn“ im Interview mit der den Inbegriff von Leuten darstellt, denen es in der Pandemie schlecht gehen müsste. Der Interviewende ignoriert den blendenden Klassismus einfach. So auch der Spiegel-Journalist in besagtem Podcast.

Klassismus, Rassismus, Misogynie und andere Diskriminierungsformen, die sich gegen marginalisierte Menschengruppen richten, sitzen tief. Dass Journalisten und Journalistinnen von Qualitätsmedien einfach darüber hinweghören, ist traurig. Denn was bleibt nach so einem locker dahingesagten Satz, ist, dass diejenigen, die dort wohnen und über den Artikel stolpern, aufmerksam dem Podcast zuhören oder sich auf eine bestimmte Nachrichtensendung freuen, mit dem Klischee konfrontiert sehen. Und vor den Kopf gestoßen fühlen. Oder sich einfach nur ärgern. Denn – Überraschung –  nichts ist einfach nur schwarz und weiß.

Natürlich gibt’s am Mehringplatz und den angrenzenden Siedlungen auch Probleme. Gewalttaten und Brandstiftung sind nicht schönzureden. Und auch als Dauerbaustelle macht der Mehringplatz in der Tat seit einigen Jahren Schlagzeilen. Aber ein Ort ist eben immer auch noch mehr und so findet man am Mehringplatz spannende Architektur, lichtdurchflutete Eingangshallen, erfolgreiches Quartiersmanagement und – nicht ganz so bekannt und trotzdem eine Tatsache – einer der coolsten Aussichten in Berlin. Ob in Richtung Kotti, Alexanderplatz mit Fernsehturm oder in Richtung Schöneberg mit dem Gasometer: unabhängig von Stockwerk und Himmelsrichtung hat man meist einen einzigartigen Ausblick.

So kann der Mehringplatz – trotz Winterwetter – auch aussehen:

CategoriesAllgemein
  1. Pingback:Über Neukölln und die Integrations(defizit)debatte mit Koray Yılmaz-Günay vom Migrationsrat Berlin e.V. - Reversed Magazine

  2. Pingback:Der Volksentscheid und die Neuwahlen: im Gespräch mit Deutsche Wohnen & Co. enteignen - Reversed Magazine

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert