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Hinaus zum 1. Mai? – Mit ver.di Jugend zur Rolle unserer Gewerkschaften

Wehende Fahnen auf einer Demonstration von ver.di als einer unserer Gewerkschaften zum 1.Mai

Gewerkschaften sind dafür verantwortlich, dass wir heute andere Arbeitsbedingungen haben als noch vor 150 Jahren – und auch andere als gestern. Aber während die historische Rolle von Gewerkschaften anerkannt und unumstritten ist, ist es uns derzeit weniger präsent, wenn sie Verbesserungen für Arbeitnehmer:innenrechte erkämpfen – von den medienwirksamen Weselskys dieser Erde abgesehen. Dabei sind knapp sechs Millionen Menschen in Deutschland heute gewerkschaftlich organisiert – aber „alle Arbeitnehmer:innen profitieren von Gewerkschaften“, sagt ver.di Jugend. „Wenn ein Tarifvertrag erkämpft wird, setzt dieser auch in der Branche Standards und andere Unternehmen müssen nachziehen, weil sonst die Kolleg:innen den Arbeitsplatz wechseln und dort hingehen, wo bessere Arbeitsbedingungen herrschen. Das heißt, durch Kolleg*innen, die sich gewerkschaftlich organisieren, an einem Strang ziehen und Forderungen aufstellen und dafür einstehen, gibt es eine Lohnspirale nach oben für alle Arbeitnehmer:innen.“

Ein kurzes Gespräch mit Jonas Rosenberger von ver.di Jugend neben der Telekom-Demo über die Bedeutung von Gewerkschaften im Jahr 2024 und weshalb sie so viel mehr sind als Orte, um für Arbeitnehmer:innen zu streiken.

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Warum seid ihr heute hier?

Jonas: Wir sind heute hier, weil wir streiken. Für die Jugend, die Nachwuchskräfte. Wir wollen insgesamt 185 Euro mehr haben bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Gerade merken wir ja auch mit den steigenden Mieten und der Inflation, dass es einfach nicht mehr reicht und wir teilweise auch Nachwuchskräfte haben, die sich eben das Leben in Berlin nicht mehr leisten können. Und bei einem Konzern wie der Deutschen Telekom, die sich schon seit Jahren damit rühmen, wie gut ihre wirtschaftliche Lage ist, der kann jetzt auch mal ein bisschen in die Ausbildung investieren und auch in unsere Nachwuchskräfte. Damit wir nicht mehr am Existenzminimum leben müssen, sondern einfach besser dran sind.

Seid ihr – bist du – auch an anderen Stellen bei der ver.di Jugend aktiv?

Jonas: Ich bin viel bei anderen Aktionen und auf anderen Demos aktiv, die wir machen. Am ersten Mai haben wir natürlich eine große Demo angesetzt, da werde ich auch mit Redepart vor Ort sein. Heute Abend treffen wir uns mit vielen jungen gewerkschaftlich aktiven Menschen und gehen gemeinsam zum Rhythm Against Racism Festival – dem Gewerkschaftsfestival vor dem 1. Mai, das schon viele Jahre besteht und eine echte Institution auch für die Zivilgesellschaft in Potsdam geworden ist. Nach einem Sleepover in unserem Gewerkschaftshaus gehen wir gemeinsam um 10:00 Uhr auf unsere 1. Mai-Demo mit Beginn an der Weberwiese und finden uns in unserem Gewerkschaftsdorf am Neptunbrunnen mit vielen Kolleg*innen bei Popcorn, Kuchen, Bratwurst, Cocktails und tollen Gesprächen und Aktionen mit den vielen Kolleg*innen ein. Aber ich bin auch im Bezirk und auf der Bundesebene aktiv und versuche dort, mich für die jungen Leute einzusetzen, in der Ver.di und auch außerhalb.

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Der erste Mai ist natürlich ein gutes Stichwort. Welche Bedeutung hat der 1. Mai im Jahr 2024?

Jonas: Der 1. Mai im Jahr 2024 hat eine sehr große Bedeutung, auch gesellschaftspolitisch gesehen. Allein schon wegen der Inflation der letzten Jahre, bei denen Arbeitnehmer:innen ganz klar Reallohnverluste erlebt haben. Deshalb ist es wichtig, dass wir am 1. Mai auf die Straße gehen. Er ist aber genauso wichtig, um als Arbeiter:innenbewegung ein Zeichen gegen Rechts und den Rechtsruck in unserer derzeitigen Gesellschaft zu setzen. AfD und co sind – entgegen dem, was sie sagen – nicht arbeitnehmer:innenfreundlich, sondern eher -feindlich und arbeitgeber:innenfreundlich.

Diese Positionierung ist natürlich eine wichtige Sache. Welche Rolle spielen denn Gewerkschaften in diesem Diskurs? – Zumal man ihnen ja auch nachsagt, gesellschaftlich nicht mehr die gleiche Relevanz zu haben wie es mal war…

Jonas: Das hängt wohl mit dem Imageproblem zusammen, das Gewerkschaften so ein wenig haben. Die Verteilungskonflikte in diesen Zeiten sind mit die wichtigsten Konflikte. Wir als Gewerkschaften sind die einzige Kraft, in der Beschäftigte nicht nur nett bitten, sondern aus eigener Stärke etwas durchsetzen können. Das erkennen immer mehr Kolleg:innen. Deshalb erleben wir gerade einen massiven Zulauf. Natürlich sind unsere Kerngebiete die Arbeitnehmer:innenrechte und das Einstehen für diese. Aber wir sind eben auch sehr aktiv in Jugendgruppen und setzen jedes Jahr einen anderen gesellschaftlichen Schwerpunkt, im letzten Jahr war das zum Beispiel Ableismus. Da ging es darum, Barrieren einzureißen. Wir hatten auch schon einen Schwerpunkt gegen Antisemitismus. In der ver.di kann man sich auch mit mehr beschäftigen als nur damit, was Arbeitnehmende brauchen. Zumal ja auch alle diese Bereiche zusammenhängen.

Wie können denn Gewerkschaften – auch gerade für junge Leute – wieder attraktiver werden?

Jonas: Dafür braucht es natürlich passende Angebote. Unsere Generation ist vielleicht mittlerweile auch ein wenig politikmüde geworden, was ich persönlich auch sehr gut verstehen kann. Gerade Gewerkschaften und auch die Gewerkschaftsjugend können durch ihren zivilen Solidarcharakter gut ansetzen und über Aktionen auch ein Zusammenhaltsgefühl fördern. Dies ist wichtig in einer Gesellschaft, die auf das Individuum schaut und einem eben oft das Gefühl gibt, allein dazustehen. Gewerkschaften haben das Potential, uns zu vereinen.

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Hängt das Gefühl, allein dazustehen, auch mit einem neoliberal begünstigten Verlust in das Vertrauen von Institutionen – nicht nur Gewerkschaften – zusammen?

Jonas: Ich denke schon, dass wir verlernt haben, nach oben zu schauen und zu treten und treten dann immer weiter nach unten. Gerade in der heutigen zeit geht es sehr viel nur um das „Ich“. Wie kann ich meinen größten Vorteil aus einer Situation schlagen? Dabei verliert man – auch als junge Generation – den Sinn für das große Ganze, für die Allgemeinheit. Wir müssen wieder dahin kommen, dass wir sehen: Institutionen können auch was bringen. Gerade Gewerkschaften, weil sie eben diesen Schwerpunkt setzen, den Leuten zuzuhören und darüber bessere Bedingungen schaffen wollen. Für die einzelne Person, aber eben auch für alle. Denn sind wir mal ehrlich: Acht Stunden Arbeit am Tag, das ist ein Drittel deines gesamten Tages. Wenn man es schafft, dort zu intervenieren und eine Veränderung zu bewirken, dann ist der Mehrwert auch für die Allgemeinheit ein ganz großer Schritt.

Apropos Mehrwehrt: Was waren in der letzten Zeit eure größten Erfolge?

Jonas: Bei der Lufthansa konnten wir große Erfolge feiern, bei der Krankenhausbewegung auch. Hier haben wir eine Tarifvertragsentlastung bei den großen Kliniken erreicht, also einen Tarifvertrag der vorschreibt, dass genug Personal vorhanden sein muss. Das war wichtig, um die Kollegi:innen im Gesundheitssektor, der ja auch gerade in der Corona-Zeit besonders belastet war, zu entlasten. Wir haben auch im Öffentlichen Dienst einen wahnsinnig guten Abschluss gemacht von 12,5 Prozent für die Beschäftigten. Jetzt sind wir gespannt auf die nächste Runde – und hoffen, dass bei der Telekom das gleich herauskommt.

Mehr zu gemeinsamer Organisation und Protest gibt es hier.

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