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Kopenhagen macht’s richtig: Wenn Nachhaltigkeit im Mittelpunkt steht

Die Schlagzeilen aus Berlin lassen viele mit den Augen rollen. Ein neuer Abschnitt der umstrittenen Stadtautobahn A100 ist seit wenigen Wochen eröffnet. Es ist mit rund 720 Millionen Euro für den gesamten 3,2 Kilometer-Abschnitt – oder rund 225.000 Euro pro Meter – das teuerste Stück Autobahn Deutschlands. Auch das auf die Eröffnung folgende „Verkehrschaos“ macht nur Negativschlagzeilen. Der Ausbau der Autobahn steht für Initiativen und Klimaschützer:innen symbolisch für das Versagen Deutschlands beim Klimaschutz. Und während das die Debatten sind, die wir im Jahr 2025 hierzulande führen, machen es andere Orte still und einfach richtig. Wir waren zu Besuch beim und im Klimavorbild Kopenhagen. Dort legt die Hälfte der Bevölkerung den Weg zur Schule oder Arbeit mit dem Fahrrad zurück. Aber nicht nur das – in Kopenhagen haben wir uns angeschaut, wie die Stadt soziale Fragen, Gemeinschaft, Klimaschutz und Nachhaltigkeit zusammendenkt.

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Radverkehr

Über 50 Prozent der Menschen in Kopenhagen fahren auf ihren täglichen Wegen mit dem Fahrrad. Nur 14 Prozent nutzen ihr Auto täglich. Das bedeutet natürlich, dass der komplette Stadtverkehr auf die vielen Räder ausgerichtet sein muss. Und das ist sie in Kopenhagen auch. Nicht selten sind die Radwege dort zweieinhalb Meter breit oder Wege sind als Fahrradstraßen überhaupt ausschließlich für Fahrräder vorgesehen. Auf diesen Radwegen können knapp 6000 Menschen in der Stunde fahren. Klassische Straßen, die mit Autos befahren werden, bringen nach dieser Rechnung nur 1300 Menschen an ihr Ziel.

Diese besondere Radinfrastruktur lässt die Stadt sich gern kosten. In den letzten zehn Jahren hat Kopenhagen 150 Millionen Euro in die Fahrradinfrastruktur investiert. Aber mit einem Hintergedanken: Langfristig, so die Rechnung, würden somit 230 Millionen Euro eingespart werden, da regulärer Straßenbau teurer sei, Radfahrende seltener krank würden und weniger Umweltverschmutzung entstehen würde. Die Rechnung ist klug, weil sie eben weiterdenkt als nur von jetzt bis Morgen. Weil sie nicht nur stumpf darauf schaut, was wir jetzt gerade bezahlen, sondern auch schaut, was diese Investition langfristig spart.

Radverkehr im Vergleich

Ein Vergleich mit Berlin ist nicht einfach, denn es gibt keine transparente Auflistung darüber, wie viel Geld die Stadt in den letzten zehn Jahren für Radwege ausgegeben hat. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) bemängelt aber, dass ab 2026 „Mittel des Postens „Verbesserung für den Radverkehr“ auf ein Minimum reduziert werden“. In den Mobilitäts-Investitions-Planungen für die kommenden Jahre seien zwar Posten in der Höhe von mehreren hundert Millionen Euro veranschlagt, so gelten diese primär für den Autoverkehr.

„Investitionen zur Verbesserung des Radverkehrs“ werden parallel dazu stark reduziert. Von 6,5 Millionen Euro im Jahr 2025 „reduziert der Senat diesen Posten ab 2026 auf 500.000 Euro pro Jahr“. Ein Witz. Das ist insbesondere deshalb auch so absurd, weil der Autoverkehr in der Stadt seit Ende der 90er Jahren laut ADFC ab-, während der Radverkehr zunimmt. Der Senat handelt also gegen die Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung. Und das Zusammendenken mit Gesundheits- und Umweltfragen? Riesige Fehlanzeige. Dabei macht Kopenhagen es so einfach vor. Bereits vor 15 Jahren fanden alle Kopenhagener:innen, inklusive der Autofahrenden, dass „die Radkultur die Stadtatmosphäre verbessert hat“.

Gute Mobilität ist aber nicht nur einseitig: Kopenhagens U-Bahn-Netz

Kopenhagen kann aber mehr als Radwege. „In der Kernstadt beträgt seit der Eröffnung der Ringbahn die Distanz zur nächsten U- oder S-Bahn in 85% der Fälle weniger als zehn Minuten Fußweg“, berichtet der Verein Einsteigen jetzt. Die U-Bahn, die seit der Inbetriebnahme 2002 kontinuierlich weitergebaut wurde, ist in der ganzen Stadt ohne Fahrer:in unterwegs und kann zu Hauptzeiten alle zwei Minuten fahren. Sie fährt die ganze Nacht durch und eine Fahrradmitnahme ist gestattet. S-Bahnlinien verbinden Kopenhagen über den Flughafen bis nach Malmö in Schweden und fahren sogar noch weiter ins Nachbarland.

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Energie, Zusammenleben und mehr

In Kopenhagen sind 98 Prozent der Haushalte mit mehr als 60 Prozent erneuerbarer Energien an das Fernwärmenetz angeschlossen. Das benennt State Of Green, eine gemeinnützige öffentlich-private Partnerschaft des dänischen Staates. In Berlin sind hingegen nur gut 40 Prozent der Haushalte ans Fernwärmenetz angeschlossen – mit einer „Zielquote für erneuerbare Energien von 40 Prozent bis 2030“. Derzeit heizen über 60 Prozent der Berliner:innen mit Erdgas.

Aber auch über diese harten Fakten hinaus macht Kopenhagen einfach so viel richtig: Auf Parkhäusern entstehen Spielplätze, auf Müllverbrennungsanlagen Skipisten. Die Kanäle und der Hafen sind so sauber gehalten, dass man in ihnen schwimmen kann – und die Anzeigen über Qualität und Temperatur des Wassers sind solarbetrieben. Orte sind zum Verweilen gestaltet, ob mit Bänken oder Urban Gardening Konzepten. Riesige frei nutzbare Abenteuerspielplätze sind Teile des Stadtbilds.

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Ist Kopenhagen die gelebte Utopie?

Natürlich ist auch in der Hauptstadt Dänemarks nicht alles perfekt. Es ist eine unglaublich teure Stadt, in der die Preise dennoch immer weiter ansteigen. Kritik gibt es auch an Kopenhagens teilweise rassistischen Wohngesetzen. Und trotzdem: Die Stadt ist was Klimaschutz, Mobilität und Zusammenleben im öffentlichen Raum betrifft, einfach ein riesiges Vorbild.

Natürlich sind einige Projekte in größeren und einwohnerstärkeren Städten wie Berlin mindestens langsamer umsetzbar. Aber Berlin hat sich eben statt langsamer Umsetzung dazu entschieden, den entgegengesetzten Weg einzuschlagen. Die Stadt pumpt Milliarden in ein paar hundert Meter kontroverse Stadtautobahn. Das ist das Gegenteil von politischem Willen zu mehr Nachhaltigkeit. Nicht mal das sonst so wirksame ökonomische Argument (weniger Autos = weniger Abgase = weniger Kosten für Behandlung von Gesundheitsschäden und weniger Geld, was man für Klimaschäden bezahlen muss) scheint zu wirken. Berlin, bitte: Nimm dir doch ein kleines Beispiel an Kopenhagen. Wenn schon nicht die Menschen zählen, dann doch wenigstens das Geld!

Mehr zu nachhaltigen Städten gibt es hier oder hier.

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