Weitläufige Bergzüge, kristallklares Wasser, Surfer:innen treffen auf eine belebte Innenstadt, salziger Wind. Wir sind – na klar – in Los Angeles? Nein. Dann auf Mallorca? Auch nicht. Wir sprechen von Kapstadt, das seit einem knappen Jahr das Hypeziel der Schönen und Reichen ist. Die südafrikanische Metropole boomt: Tourist:innen, New-Worker und Digital Nomads schwören schon länger auf die Stadt. Seit neustem ist Kapstadt aber auch die Winterresidenz von Promis und Influencern. Und während letztere sich am Bikini vorm Sonnenuntergang ablichten lassen und in Videos ihren luxuriösen Winterwohnsitz präsentieren, befindet sich wenige Kilometer weiter das Khayelitsha-Township – einem der „größten Slums der Welt“ – keine Pointe. Über Gegensätze, Ignoranz und Profiteure.
Das koloniale Township-Erbe
Mit seinen circa 400.000 Einwohnenden – also knapp einem Zehntel der Einwohner:innen Kapstadts – führt Khayelitsha häufig traurige Listen zu den schlechtesten Lebensumständen in Siedlungsgebieten an. Townships – also rassistisch abgetrennte Stadtgebiete, die vom späten 19. Jahrhundert bis zum Ende der Apartheid als Wohnorte für nicht-weiße, insbesondere Schwarze Menschen, konzipiert und an den Rand bestehender Städte gebaut wurden – gibt es noch heute. Die Menschen, die in den Townships lebten, sollten während der Apartheid-Zeit als billige Arbeitskräfte in Stadtnähe verfügbar sein, aber ohne das weiße Stadtbild in Apartheid-Zeiten zu „stören“: Townships waren eine Form von Kontrolle und Segregation, die Lebensumstände schlecht, viele Unterkünfte in ihnen informell errichtet, mit den sich daraus ergebenen infrastrukturellen Problemen. In Khayelitsha teilen sich im Schnitt noch heute fünf Familien eine Toilette.
Kapstadt: Stadt der Gegensätze
Heute ist der Begriff „Township“ nicht mehr ausschließlich synonym zu Armut und Trennung. Auch wenn die Bewohnerinnenstruktur immernoch fast ausschließlich Schwarz ist, haben viele Townships mittlerweile gehobene und Mittelklasse-Gegenden. So wie in Soweto am Rande Johannisburgs. Diese Entwicklungen gibt es in Khayelitsha auch. Das Township hat Krankenhäuser, Schulen, einen öffentlichen Nahverkehr und viele Menschen, die unternehmerisch tätig sind. Und steht dennoch in starkem Kontrast zu der beinahe US-amerikanisch anmutenden Hochglanz-Poliertheit der reichen Kapstädter Bezirke. Hier gibt’s Cocktails im Sonnenuntergang, Hotels mit Pool und Trüffelpizza. Diese Seite der Stadt findet häufig Einzug in den Videos derer, die im Januar aus den USA oder Europa anreisen, um den harschen Winter der Nordhalbkugel in ihren Kapstädischen Sommerresidenzen zu verbringen. Während sie ihre Ferienhäuser dort günstig erstehen konnten, leben die Menschen in Khayelitsha und anderen Townships in informellen Gebäuden. Das Land, auf denen sie stehen, gehört ihnen nicht.


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Was wir abbilden
Dass nicht nur Prominente sondern auch Influencer Kapstadt als ihre neue Winterresidenz auserkoren haben, bringt neue Herausforderungen mit sich. Denn bei Influencern handelt es um eine Profession, die ihr Geld damit verdient, abzubilden, zu filmen, zu fotografieren und sich selbst dabei zu zentrieren. Es ist eine spannende Entwicklung, eine Stadt des afrikanischen Kontinents als einen Hype-Ort darzustellen. Es bricht mit den Klischees von Krieg, Korruption und Krankheit, die in der Berichterstattung über den Kontinent oft noch inhärent sind.
Die Videos der Influencer stellen also eine riesige Chance dar, um mit bekannten Mustern zu brechen. Aber sie tun es nicht. Sie bewegen sich unkritisch durch die Stadt und das Land, dessen koloniale Vergangenheit so jung und so komplex ist. Sie machen sich zum Subjekt. Und leben in einer Blase, von der sie so tun, als sei sie die gleiche wie Palma de Mallorca oder die Algarve-Küste. Sie sprechen von Kultur und meinen damit nur den kolonialen Import, gespränkelt mit ein wenig „sie-sind-so-glücklich-und-haben-so-schöne-Tribals“.

Die kolonialen Implikationen
Vor einigen Monaten wurde eine deutsche Reise-Influencerin kritisiert, die sagte, sie fühle sich nach ihrer Rückkehr nach Deutschland hier nicht mehr wohl. In Indien sei alles besser gewesen: Leute bewunderten ihre blonden Haare, wollten Fotos mit ihr machen und gaben ihr das Gefühl, etwas besonderes zu sein. Absolut perfide. Aber wir möchten – zumindest einigen der Influencer, die in Kapstadt überwintern, anhand ihrer Aussagen – ähnliches unterstellen, auch wenn sie es nicht ganz so explizit formulieren. Sie finden die Ungerechtigkeit, die Südafrika prägt, nicht verwerflich. Sie finden sie sogar angenehm. Denn sie sind weiß und reich und profitieren davon noch immer.
Deshalb werden diese millionenschweren Influencer niemals zeigen, dass Khayelitsha ein Teil ihres geliebten Kapstadts ist, dass ihr Luxusurlaub auf Ungleichheit aufgebaut ist. Sie werden niemals zeigen, wie viele Studierende und andere Aktive versuchen, den Status Quo zu ändern und mit klugen Forderungen auf Aufarbeitung drängen. Und das ist das gelebte Erbe des Kolonialismus.

Fotos: Kapstadt / Tafelberg aus dem Archiv
Schön die Hybris und Ignoranz jener (weißen) selbstverliebten und strunzdummen Konsum-Sabberinnen und -Sabberer ( = Influenza sowie Touristinnen & Touristen) dargestellt!
„Das Land, auf denen sie stehen, gehört ihnen nicht.“
Das erinnert doch eins-zu-eins an uraltes Lehnswesen – zwar technologisch fortgeschritten und hübsch-bunt; aber sozial wieder im Mittelalter angekommen, toll!