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5 Gründe für mehr Migration anstatt für weniger

Foto von einer fahrenden Straßenbahn im Sonnenuntergang. Auch hier braucht es mehr Migration gegen den Fachkräftemangel

Zunächst einmal ist völlig klar: Der essenziellste Grund, weshalb wir uns nicht gegen flüchtende und migrierende Menschen stellen sollten, ist die Verpflichtung zur Menschlichkeit. Das Recht auf Asyl ist ein grundlegendes Menschenrecht, das im Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen festgeschrieben ist. Es ist eine Antwort auf Verfolgung, Krieg und Menschenrechtsverletzungen, die viele dazu zwingen, ihre Heimat zu verlassen. Diese humanitäre Verantwortung gegenüber Geflüchteten gerät in unseren entgleisten medialen und politischen Diskussionen derzeit aber mal wieder völlig aus dem Blick. Dabei ist es völlig klar und absolut unverhandelbar: Menschen, die vor Krieg, Hunger oder politischer Verfolgung fliehen, verdienen unseren Schutz. Deshalb sollte unser Artikel hier eigentlich enden können. Aber wir möchten den ganzen rechten Stimmen wirksam etwas entgegensetzen. Deshalb haben wir euch fünf Argumente für mehr Migration statt für weniger zusammengetragen.

1. Fachkräftemangel: Mehr Migration als Schlüssel zur Lösung

Deutschland leidet genau wie viele westliche Länder schon heute unter einem dramatischen Fachkräftemangel. Allein im deutschen Gesundheitswesen könnten 2035 bis zu 500.000 Pflegekräfte fehlen. Eine Pflegekraft betreut in der Regel mehr als nur eine pflegebedürftige Person. Hunderttausende Menschen könnten also nicht ausreichend medizinisch oder pflegerisch versorgt werden. Ohne Hilfe von Außen ist dieses Problem nicht zu lösen. Und bereits heute haben mehr als 20 Prozent der Beschäftigten in der Pflege einen Migrationshintergrund. Diese Zahl muss nicht nur steigen, unsere Regierung muss gezielt um Leute werben, die nach Deutschland kommen und hier unterstützen, um die steigende Nachfrage in unserer alternden Gesellschaft zu bewältigen.

Aber der Fachkräftemangel betrifft nicht nur das Gesundheitswesen. Insgesamt sind 200 Branchen betroffen, hat der Mediendienst Integration recherchiert – das ist jedes sechste Berufsfeld. Handwerk, Bauwesen und IT sind neben der Pflegebranche stark betroffen, aber auch unser ÖPNV – bis 2030 werden in dieser Branche rund 80.000 Beschäftigte fehlen. Diese Lücken werden mit den derzeitigen niedrigen Migrationszahlen nicht zu schließen sein. Um all diesen Tendenzen etwas entgegenzusetzen, wäre, laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) eine Nettozuwanderung von 400.000 Menschen jährlich notwendig.

2. Demografischer Wandel: Wer zahlt unsere Rente?

Der demografische Wandel stellt westliche Gesellschaften vor große Herausforderungen. In Deutschland sind derzeit etwa 22 Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre alt – Tendenz steigend. Gleichzeitig schrumpft die Zahl der Erwerbstätigen. Ein einfaches Rechenbeispiel verdeutlicht die Problematik: Während heute etwa drei Erwerbstätige eine:n Rentner:in finanzieren, wird dieses Verhältnis bis 2060 auf zwei Erwerbstätige pro Rentner:in sinken, so das Statistische Bundesamt.

Mehr Migration bietet hier eine Lösung, die langfristig wirken kann. Junge, arbeitsfähige Migrant:innen zahlen in das Rentensystem ein und tragen zur Entlastung bei. Studien der OECD zeigen, dass Migrant:innen in vielen westlichen Ländern mehr in Sozialsysteme einzahlen, als sie an Leistungen beziehen, vor allem, wenn sie frühzeitig in den Arbeitsmarkt integriert werden.

3. Wirtschaftlicher Wohlstand: Migration als Wachstumsmotor

Der wirtschaftliche Wohlstand westlicher Länder wäre ohne Migration kaum denkbar. Historisch gesehen hat mehr Migration immer wieder zum Aufschwung und Wachstum beigetragen, auch und gerade in Europa.

Menschen mit Migrationsgeschichte schaffen zudem neue Arbeitsplätze, sei es durch die Gründung eigener Unternehmen oder durch die Stärkung bestehender Unternehmen. In Deutschland sind rund ein Fünftel der Gründer:innen von Start-ups Menschen mit Migrationshintergrund. Diese Unternehmen schaffen ihrerseits neue Arbeitsplätze und Innovationen, die der Gesamtwirtschaft zugutekommen. Ihre Unternehmen schneiden auch beim Thema Diversität besonders gut ab.

4. Integration von geflüchteten und migrierten Menschen: Eine Investition in die Zukunft

In den ersten drei Monaten dürfen Asylsuchende Menschen in Deutschland nicht arbeiten. Das ist eine absolute Verfehlung, da eine frühe Arbeitsmarktintegration besonders erfolgreich ist. Sobald es den Menschen aber erlaubt ist zu arbeiten, zeichnet sich ein eindeutiges Bild: Syrische Geflüchtete, die zwischen 2014 und 2016 nach Deutschland kamen, sind heute laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bereits zu 60 Prozent in sozialversicherungspflichtigen Jobs beschäftigt. Wenn man die Sprachbarriere bedenkt sowie kulturelle und gesellschaftliche Unterschiede zum Heimatland, ist dies ein sehr großer Erfolg.

Bei Frauen kann diese Quote allerdings nicht bestätigt werden. Hier verschenkt unsere Gesellschaft ein großes Potential.

5. Kulturelle Vielfalt stärkt Gesellschaft

Migration führt zu kultureller Vielfalt und diese Vielfalt ist ein Katalysator für Innovation. Studien zeigen, dass – Überraschung – Unternehmen mit vielfältigen Teams oft erfolgreicher und innovativer sind. Verschiedene Perspektiven und Erfahrungen bringen neue Ideen hervor, die in homogen gehaltenen Gesellschaften oft fehlen. Dass dies auch über den Arbeitsplatz hinaus der Fall ist, sollte klar sein. Jeder gesellschaftliche Bereich profitiert von Vielfalt.

Fazit: Mehr Migration ist nicht nur wünschenswert, sondern notwendig

Die westlichen Länder können es sich schlichtweg nicht leisten, weiter rechte Argumente zu übernehmen und rassistische Stimmung zu machen. Die Kombination aus demografischem Wandel, Fachkräftemangel und der Notwendigkeit zur wirtschaftlichen Stabilität macht deutlich: Migration ist nicht das Problem, sondern die Lösung für viele der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit. Eine progressive und integrative Migrationspolitik, die die Potenziale von Zuwanderung erkennt und fördert, ist der Schlüssel, um den Wohlstand in westlichen Ländern langfristig zu sichern.

Anstatt mehr Migration zu fürchten, sollten wir sie als das betrachten, was sie ist: eine Chance für Wachstum, Innovation und gesellschaftlichen Fortschritt. Medien und Politik sind hier gleichsam in der Verantwortung, diese Aspekte herauszustellen.

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Titelfoto: Timo Krügener

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