Vor wenigen Wochen ging die Meldung viral, dass der Nürnberger Tiergarten zwölf gesunde Paviane umbringen lässt, um den Bestand im Zoo zu verringern. Eine internationale Vermittlung sei mehrfach gescheitert. „Überbestand“ lautet die bürokratisch klingende Rechtfertigung für diesen Schritt, der übrigens in Europa jährlich zur Tötung von 300 bis zu 5000 gesunden Tieren in Zoos führt. Dadurch, dass Zoos sich selbst als Orte des Artenschutzes verstehen, ist ihnen dies möglich. Gleichzeitig zeigen die Zahlen aber auch: Die große Mehrheit von Tieren, die in Zoos gehalten werden, gehören keiner bedrohten Art an. Und die Tiere, die in Zoos gehalten werden, zeigen häufig massive Verhaltensstörungen, so wie kontinuierliches Auf- und Ablaufen.
Zeit für einen kritischen Blick auf das widersprüchliche Konzept Zoo und auf Fragen nach Entertainment, Voyeurismus, Artenschutz, Tourismusmagnet und Tierwohl. Dafür war Fotograf Jacob Hehlke in und um Berlin unterwegs und hat mit seiner Kamera einen Blick auf die Widersprüche der Tiergärten gelegt.

Was macht einen Zoo aus?
Der Begriff „Zoo“ ist international nicht eindeutig definiert oder geschützt. Deshalb gibt es neben Zoos, die sich als „wissenschaftlich arbeitend“ definieren auch rein kommerziell geführte Tierparks. Letztere sind häuiger für illegale „Entnahmen“ verantwortlich, die Tiere aus ihrem natürlichen Lebensraum stehlen, um sie zur Schau zu stellen. Auf die wissenschaftlich arbeitenden Zoos ist laut WWF in der Vergangenheit hingegen zurückzuführen, dass einige Tierarten nicht ausgestorben sind, darunter zum Beispiel auch der Wisent. Während das natürlich ein großer Erfolg ist, ist es vor allem auch eins: Ein Beispiel aus den 70er Jahren. Deshalb positionieren sich viele Tierschutzorganisationen dennoch gegen das Halten von Tieren in Käfigen. Sie sagen: Einzelne Erfolge rechtfertigen das Einsperren abertausender Tiere – oftmals mit ungenügender Beachtung von Tierwohl – auf keinen Fall. Insbesondere dann nicht, wenn parallel Habitat um Habitat zersört werden.


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Wissenschaft vs. Tourismus
Auch wenn Zoos in der Vergangenheit einen Beitrag zum Artenschutz geleistet haben mögen – oder es vereinzelt noch immer tun – ein wichtiger Faktor darf bei der Betrachtung des Prinzips Zoo auf keinen Fall fehlen: Natürlich – der wirtschaftliche. So schreibt der Verband der Zoologischen Gärten selbst: „Vielerorts sind die VdZ-Zoos die meistbesuchte Freizeiteinrichtung der Region. Je nach Größe wirken Zoos sogar als touristischer Besuchermagnet und ziehen durch ihre Strahlkraft internationale Gäste in die Stadt oder in die Region. Dies wirkt sich natürlich auch auf den Bekanntheitsgrad der Stadt oder Region aus und führt zu Sekundäreffekten wie zu mehr Übernachtungsgästen oder auch höheren Umsätzen in den regionalen Einkaufsstraßen und Restaurants„. Zoos werden zum „Standortfaktor“, die mit „bedeutenden, mittelständischen Wirtschaftsunternehmen gleichzusetzen“ sind. Werden hier also wirklich Tierwohl und Artenschutz vorangestellt oder sind es doch wirtschaftliche Interessen?


Zahlen zum Tierwohl
Wer als Kind im Zoo war, wird dieses Bild schon lange vor Augen haben: Große Raubkatzen „tigern“ am Gitter entlang auf und ab. Diese wiederholten und monotonen Bewegungsabläufe werden auch Stereotypien genannt und sind eine Verhaltensstörung. Sie sind symptomatisch für schlechte Haltungsbedingungen, bei Großkatzen und Bären häufig aufgrund der unzureichenden Gehegegröße. Teilweise wird davon ausgegangen, dass die Gehegegröße für bestimmte Tiere etwa nur ein Millionstel ihres natürlichen Habitats beträgt. Stereotypien sind aber bei weitem noch nicht das einzige Problem. So würden Elefanten in Zoos teilweise nur bis zu ein Drittel des Alters ihrer freien Artgenossen erreichen. Außerdem werden Tiere mit Psychopharmaka ruhig gestellt. Die Liste der Unzulänglichkeiten zur Behandlung der Tiere ist leider lang.

Gehege bleibt Gehege
Für viele von uns waren Zoos in der Kindheit und Jugend spannende Wochenendausflüge. Sie waren die Möglichkeit, nicht-heimische (oder wie es damals noch genannt wurde: „exotische“) Tiere zu sehen, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sie sich bewegen. Aber eben nicht dafür, wie sie leben. Denn eins ist klar: Auch wenn Zoos es aufrichtig versuchen sollten, Gehege „artgerecht“ zu gestalten, bleiben sie dennoch eins: Gehege.

Mehr zu Tierschutz gibt es unter anderem auch hier.
Mehr von unserem Fotografen Jacob Hehlke findet ihr auch hier.

Die Bilder stammen aus dem Berliner Zoo, dem Berliner Tierpark und Eberswalde – sie sollen hier allerdings nicht als Negativbeispiele herausgestellt werden. Die Fakten, die wir zitieren, stammen von NGOs, die sich wiederum auf Studien beziehen, die viele Probleme wissenschaftlich beobachten – häufig unabhängig konkreter Einrichtungen.
Der Panther
Sein Blick ist vom Vorübergeh’n der Stäbe
so müd‘ geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gebe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchml schiebt der Vorhang der Pupille
sich langsam auf, dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille
und hört im Herzen auf zu sein.
R. M. Rilke