Es ist schon ein wenig her, dass im linearen Fernsehen auf ZDF die „Merkeljahre“ liefen. Eigentlich eine schöne Idee, wenn natürlich auch nicht revolutionär, in zwei Stunden die 16 langen Jahre der „Ära Merkel“ in Politik, Wirtschaft und Kultur zu unterteilen und mit ausgewähltem Videomaterial zu begleiten. Perfekt für das lineare Fernsehen. Alles war dabei. WMs und EMs, Börsencrashs und auch die „Geflüchtetenkrise“. Um letztere soll es auch gehen.
Denn in guter alter Fernsehen-Manier dachten die Ersteller:innen der Merkeljahre vermutlich, es sei eine gute Idee, Prominente und Betroffene bestimmter Themen ihre Kommentare abgeben zu lassen. Dass hier häufig einseitige, faktisch nicht ganz korrekte oder zum Teil auch mal schwierige Kommentare kommen, ist erwartbar (unser TikTok dazu gibt’s hier).
In der Merkeljahre-Sendung war es aber leider das Framing des ZDF, was noch negativer aufgefallen ist als die Prominenten. Unterschiedliche Kommentator:innen wurden jeweils dann eingeführt, wenn über die Jahre ein Thema aufkam, das sie betrifft. So ist es weder Wunder noch Zufall, dass Anas Modamani als Geflüchteter vorgestellt wird, als von der „Geflüchtetenkrise“ 2015/2016 gesprochen wird. Geflüchteter ist seine Bezeichnung auch, als sein Statement zur Silvesternacht in Köln abgefragt wird, der Begriff, unter dem die schrecklichen sexuellen Übergriffe auf Frauen 2016 zusammengefasst werden.
Das ist an sich erstmal nicht verwerflich, schließlich ist Anas Modamani Geflüchteter. Allerdings ist er nicht nur das. Er betont an beiden Stellen, dass er Student ist, dass er Deutsch gelernt hat und lernt, dass er sich in das Land integriert, das ihn (temporär) aufgenommen hat. An dieser Stelle sei gesagt, dass das „Geflüchtete-sollen-bleiben-dürfen-wenn-sie-sich-nur-ordentlich-anpassen“-Narrativ an sich ein problematisches ist. Jede:r Mensch sollte überall Bleiberecht bekommen und nicht nur jene, die die Gesellschaft als nützlich erachtet. Dennoch bemüht sich Modamani zu zeigen, dass er sich alle Mühe gibt. Er distanziert sich und andere Geflüchtete von allen Übergriffen.
Aber auch bei Themen, die nicht unbedingt derart unmittelbar mit dem Thema „Flucht“ zusammenhängen, ist Modamani eins: Geflüchteter. Das ist die einzige Charakterisierung, die dieser junge mehrsprachige Student erfährt.
Problematisch ist hier insbesondere der Kontrast zu Herrn Joachim Llambi. Dieser ist die meiste Zeit über, wenn er eingeblendet wird, TV-Moderator. Aber nicht schlecht haben wir gestaunt, als er an zwei Stellen auch als ehemaliger Börsenmakler vorgestellt wurde – je nachdem, wie es thematisch am besten passt. Interessanterweise hat sich das ZDF also die Zeit genommen, die Personenbeschreibungen hinsichtlich der Expertise anzupassen. Möchten wir Herrn Llambi eine Expertise an der Börse absprechen?
Im Gegenteil. Menschen sind mehr als nur ein Beruf und eine Eigenschaft – und eben auch mehr als ein Aufenthaltsstatus. Insbesondere dann, wenn sie sich bewusst und aktiv als mehr als das präsentieren, was ihnen primär von außen zugeschrieben wird.
Es ist schön, dass das ZDF Herrn Modamani zu Wort kommen lässt. Schade ist es, dass er sich das erste Mal zur „Geflüchtetenkrise“ äußern darf und ihn verkürzt ausschließlich als das darstellt.
Viele Rezipierende des ZDF hätten sicherlich positiv darauf reagiert, hätte Modamani mehr sein dürfen als Geflüchteter. Denn während es nichts Negatives ist, geflüchtet zu sein, sondern lediglich ein Umstand, sind gesellschaftlich negative Konnotationen da. Und sie gehen nur weg, wenn wir sie dekonstruieren.
Mehr zum Themenbereich Migration gibt es unter anderem hier.