„Mein einziges Verbrechen ist, dass ich ein Migrant bin und aufgrund meiner Hautfarbe diskriminiert werde“. So beantwortet Yerro Gaye die Frage für sich, warum er am 30.09. aus dem Kreis seiner Freund*innen und seiner Verlobten entrissen wurde. Seine drohende Abschiebung ist insbesondere deshalb nicht nachzuvollziehen, weil er 2019 im Rahmen eines sogenannten Relocation-Programms der Europäischen Union mit der Aussicht auf Asyl nach Deutschland geholt wurde. Hier baute er sich ein neues Zuhause auf, knüpfte Freund*innenschaften und engagierte sich ehrenamtlich im Bereich Migration. Er arbeitete zwei Jahre bei Hermes, bis ihm seine Arbeitserlaubnis entzogen wurde und war gerade im Begriff zu heiraten. Nun befindet er sich in Dresden in Abschiebehaft und die Abschiebung aus Frankfurt nach Gambia droht akut übermorgen am 15.10.
Yerro Gayes Abschiebung
Das Relocation-Programm der Europäischen Union war ein Programm, welches Geflüchtete gleichmäßig innerhalb der Europäischen Union verteilen möchte. Kurz nachdem Yerro Gaye 2019 über das Mittelmeer nach Italien kam, holte ihn der deutsche Staat mit der Aussicht auf einen Aufenthaltsstatus nach Deutschland. Hier kämpfte er seitdem für einen gesicherten Aufenthalt, baute sich ein Leben auf und konnte für zwei Jahre arbeiten. Die Firma Hermes in Haldensleben hatte ein großes Interesse an der Zusammenarbeit mit Yerro Gaye. Daher wollte sie ihm daher einen unbefristeten Arbeitsvertrag ausstellen. Obwohl sie dies den Behörden kommunizierten, wurde Yerro Gaye 2023 die Arbeitserlaubnis entzogen, um ihm „Druck zu machen“.
Seit der Ablehnung seines Asylantrags versuchten die Behörden schon mehrfach, Yerro Gaye abzuschieben. Seit seine Heirat im Raum steht, erhöhen sie die Bemühungen und versuchen mit allen Mitteln, diese zu verhindern. So musste Yerro Gaye aufgrund einer Residenzpflicht in Sachsen-Anhalt Ausreisen aus dem Bundesland extra beantragen, was in der Regel auch funktionierte. Als dann aber der Termin zur Anmeldung der Eheschließung in Berlin anstand, erteilten die Behörden keine Erlaubnis. Yerro Gaye und seine Verlobte mussten den Prozess in Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt neu starten. Die Eheschließung ist also noch im Prozess und aufgrund der Verlobung mit einer französischen Staatsangehörigen verstößt diese Abschiebung nicht nur gegen Menschenrechte, sondern auch gegen EU-Recht (gem. § 5 Abs. 1 S. 1 FreizügG.).
Solidarität und Unmenschlichkeit in Haldensleben
Wie stark Yerro Gaye hier bereits Fuss gefasst hat, wie beliebt er war und wie erschütternd die Nachricht seiner drohenden Abschiebung deshalb für viele war, zeigt sich am Montag in Haldensleben. Dort tragen rund 80 Menschen, darunter viele Freund*innen von Yerro Gaye, ihre Empörung entschieden an den Ort, an dem die Polizei Yerro Gaye inhaftierte – zur Ausländerbehörde. Dort wurde er bei einem regulären Termin zur Verlängerung des Ausweises von der Polizei abgefangen und unter zwischenzeitlicher Verweigerung von Essen und Toilettengängen in Abschiebehaft genommen. „Mit der Abschiebung einer Person zerstören die Behörden Paare und Freund*innenschaften, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein“, äußert sich die Verlobte von Yerro Gaye in einem Redebeitrag, der verlesen wird.
Die Stimmung am Dienstag ist emotional, solidarisch und entschieden, aber zu keinem Zeitpunkt gewaltvoll. „Niemand ist frei, bis Yerro Gaye frei ist“, heißt es in vielen Redebeiträgen. Leider wird diese kraftvolle Versammlung aber immer wieder durch das Verhalten der Polizei getrübt. Angekommen bei der Ausländerbehörde darf die Kundgebung nicht wie seit Tagen geplant direkt vor dem Gebäude stattfinden. Eine an die Kundgebung anschließende Demonstration wird untersagt, da die Polizei die Befürchtung habe, dass die Stimmung durch äußere Provokationen eskalieren könnte. Nur die theoretische Möglichkeit, dass rechte Provokateur*innen auftauchen könnten, verhindert hier also eine Demonstration.
Als wäre dies nicht schlimm genug, führt die Polizei Personalienkontrollen bei zwei der lautesten Teilnehmer*innen durch, ohne die Gründe dabei voll transparent zu machen. Beide Personen geben an, selbst unter der Migrationspolitik zu leiden. Die zweite Kontrolle eskaliert die Polizei bis zum Einsatz von Pfefferspray hoch. So müssen am Ende der Kundgebung sechs Demonstrierende ärztlich behandelt werden. Für die Organisator*innen ist klar, warum die Polizei so vorgegangen ist: “Sie wollten uns zum Schweigen bringen. Weil sie es nicht ertragen, dass genau die Menschen, die sie aufgrund ihres tiefverankerten Rassismus unterdrücken wollen, sich mit Würde wehren und deren Stimmen erheben. Dies ist ein klarer Fall von Racial Profiling“.
Ungebrochen trotz drohender Abschiebung
Was bleibt, ist ein sehr unangenehm bedrückendes Gefühl, dass hier mit allen Mitteln versucht wurde, Menschen einzuschüchtern und kleinzuhalten, die in unserer Gesellschaft systematisch marginalisiert werden. Doch sie bleiben laut und entschlossen: Eine Petition zur Verhinderung der Abschiebung zählt mittlerweile knapp 3000 Unterschriften und auch Yerro Gaye zeigt sich in seinem Redebeitrag, der verlesen wird, kämpferisch:
„Wir sind Teil der Lösung. Wir sind nicht das Problem. Migration ist etwas, das seit jeher existiert hat und nicht aufgehalten werden kann. Ihr seid die ersten, die nach Afrika emigriert sind, um unsere natürlichen Ressourcen zu plündern. Die Europäer*innen spalten Afrika und nutzen Politik, um uns gegeneinander auszuspielen. Wenn ihr uns hier nicht wollt, überlasst Afrika den Afrikaner*innen. Wir sind hier, um zu bleiben und wir werden für gleiche Rechte und Gerechtigkeit kämpfen. […] Wann wurde es zu einem Verbrechen, mit seinen Lieben und Freunden zusammenzuleben. Jeder hat das Recht, seine Beziehungen auf die eine oder andere Weise zu schützen. Ich bin gerade dabei, zu heiraten. Wir wollen nicht voneinander getrennt sein. Es ist unser Recht zusammenzuleben und unsere Karriere zu verfolgen. Ich habe es nicht verdient, das durchzumachen, nur weil ich Migrant oder schwarz bin.“